Die Kurische Nehrung – Litauen Mitte September

Die Kurische Nehrung ist so merkwürdig, dass man sie gesehen haben muss, wenn einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen soll

Wilhelm von Humboldt, 1809

Die Kurische Nehrung – Ostseeseite

Eine Reise nach Litauen – Die Delta-Variante hat die Welt fest im Griff, Litauen ist Hochinzidenz-Gebiet, ergibt das Sinn? Nunja, ich hatte in diesem Fall nicht wirklich die Wahl, es war nicht direkt eine Urlaubsreise, denn ich musste die Ferienwohnung meiner verstorbenen Eltern in Nidden auflösen. Trotzdem möchte ich hier ein wenig erzählen von einer Reise in seltsamen Zeiten.
Die Kurische Nehrung ist eine rund 100 km lange Landzunge aus purem Sand, die von Smiltynè bis zur russischen Grenze nach Kaliningrad reicht. An der einen Seite wird sie vom Haff begrenzt, an der anderen Seite ist die offene Ostsee. Viele Schriftsteller und Maler zog es wegen der einzigartigen (Licht)-Stimmung dorthin und auch heute ist es einfach ein wunderschönes Fleckchen Erde mit einer ganz besonderen Atmosphäre. Italien trifft Skandinavien!

Das Haff in Nidden

Wir mussten von Kiel die DFDS-Fähre (ohne Auto) nach Klaipeda nehmen, da der nächste Flughafen zur Nehrung, in Palganga, gerade renoviert wurde. Von Klaipeda geht eine kleine Autofähre einige Minuten nach Smiltynè, dem Anfang der Kurischen Nehrung. Also, ab nach Kiel mit dem Zug, mein Freund und ich hatten Gottseidank eine streikfreie Zeit erwischt und auf die Fähre. Die Regina Seaways sollte um 21 Uhr fahren, auf der Website steht, man soll spätestens zwei Stunden davor eingecheckt haben, Check-in ist aber schon ab 14 Uhr möglich. Da unsere Zugverbindung schon recht früh ankam, wollten wir auch früher aufs Schiff und uns lieber dort die Zeit vertreiben. Dachten wir. Check-in ist zwar schon ab 14 Uhr möglich, aber nur im Hafen-Zentrum. Dann bekommt man einen Zettel, den man dann auf dem Schiff vorzeigen kann, um die Kabine zu beziehen. Der Zugang zum Schiff war aber erst um 19 Uhr möglich, pünktlich mit einem Shuttle-Bus, also hingen wir noch zwei Stunden am Terminal rum. Macht nix, besser so, als andersrum.

DFDS-Fähre von Kiel nach Klaipede


Auf dem Schiff checkten wir dann ein, stellten fest, dass der Mülleimer im Bad nicht geleert wurde (Klopapier darf nicht ins Klo, sondern nur in den Eimer) und baten darum an der Rezeption. Dann begaben wir uns an Deck und beobachteten die geschickten LKW-Fahrer beim Einparken. Bis uns der Rezeptionist aufsuchte und uns sagte, dass in unserer Kabine auch das Deckenlicht nicht geht. (War uns gar nicht aufgefallen, da alle anderen Lichter gingen…). Er meinte, wir bekämen jetzt ein Upgrade zu einer größeren Kabine mit Blick aus dem Fenster direkt nach vorne. Haben wir gerne angenommen und die Kabine war wirklich sehr schön und der Blick einmalig. Da ich sehr leicht seekrank werde (Zintona hilft!), habe ich mich über die ruhige Überfahrt sehr gefreut. Wir haben diesmal auf Abendessen und Frühstück im Restaurant verzichtet, da es an Bord für Touristen zwar eine 3G-Regelung gibt, nicht aber für alle LKW-Fahrer, die aus allen Herren Ländern da mitfahren. Die fanden auch sowas wie Maskentragen im Innenbereich völlig überzogen. In meiner Familie hat Corona ziemlich gewütet, so dass ich dieses völlige Ignorieren nicht nachvollziehen kann. Aber das sollte mir noch öfter auf dieser Reise begegnen.

Unsere Komfort-Kabine nach dem Upgrade

Ich hatte bei Eurorenta direkt am Fähr-Terminal in Klaipeda ein Auto, kleinste Kategorie, online reserviert. Während der Überfahrt bekam ich von ihnen eine SMS, ob ich denn noch am Auto interessiert sei, ich solle mich melden. Ich kenne das so nicht, dass man sich nochmal bei einer Autovermietung melden soll und war sofort skeptisch. Und tatsächlich hatten sie mein Auto nicht vorrätig und boten mir ein Upgrade an… Allerdings nur für 2 Tage, dann sollte ich das Auto wieder austauschen. Da ich mich aber gar nicht in Klaipeda aufhalten würde, bat ich sie, das Auto doch bitte zu meinem Aufenthaltsort zu bringen und das dann mit mir abzusprechen, da ich ja einiges unternehmen wollte und musste. Und mich eine Fahrt von Nidden nach Klaipeda zurück auch Maut und Autofähre kosten würde. Plötzlich war es kein Problem, das Upgrade die ganzen 10 Tage zu behalten. Also fuhren wir mit einem riesigen Passat zu zweit mit der kleinen Autofähre von Klaipeda fünf Minuten auf die Kurische Nehrung. Ich ließ dann erst mal die Einheimischen mich überholen, ich wollte mich strikt an die Geschwindigkeitsbegrenzung, es wird dort scharf kontrolliert und mich auch erst mal ans Auto gewöhnen. Und natürlich bisschen links und rechts schauen, ob nicht doch mal ein Elch vorbeikommt.

Ich besuche die kurische Nehrung jetzt schon seit 20 Jahren immer wieder, noch nie ist mir eines dieser seltenen Bewohner der Nehrung begegnet. Nach ca. 10 Minuten Fahrt sahen wir links eine große Silhouette am Straßenrand zu sehen, tatsächlich – ein Elch! Er – oder sie, mein Freund und ich sind uns nicht ganz einig, ob wir ein Geweih gesehen haben oder nicht – trank am Straßenrand aus einer Pfütze. Ein riesiges Tier. Ich bremste vorsichtig ab, das Tier bemerkte uns aber trotzdem und lief erst langsam über die Straße und verschwand dann in der Prärie. Beglückt fuhren wir weiter, nur um fünf km weiter einem Fuchs zu begegnen, der es gar nicht so toll fand, dass wir uns auf seiner Straße aufhielten und es auch nicht einsah, zur Seite zu gehen. Er blieb stehen und fixierte uns, bis er sich doch dazu aufraffte, an den Rand zu gehen und uns vorbeizulassen. Das war es dann aber auch mit der Menagerie auf dem Weg.

Es ist fast immer windig in Nidden

In Nidden selbst mussten wir erkennen, dass der ganze – eigentlich malerische Ort – eine einzige Baustelle war. Hier wird offensichtlich ein Kulturzentrum gebaut. Wir wollten noch schnell im Supermarkt Maxima, der bis 23 Uhr offen hat, Lebensmittel kaufen, da in der Ferienwohnung seit 1,5 Jahren keiner mehr war. Es war 19.45 Uhr, genug Zeit also. Dachten wir. Wir ließen uns also auch Zeit. Und kamen fünf nach acht an die Kassen, die es jetzt nur noch als Selbstbedienungskassen gibt. Als wir unser Bier scannen wollten, kam sofort: „Please wait for assistance“. Die Dame kam dann auch, eher wenig enthusiastisch, nach gefühlten zehn Minuten gnädigerweise und wies uns darauf hin, dass man Alkohol nur bis 20 Uhr kaufen darf. Hm… also kein Bier als Willkommenstrunk. Schade. Wir kamen in die Wohnung, die natürlich auch so aussah, als wäre hier keiner seit 1,5 Jahren und machten sie erst mal wohnlich.

Das erste Bier – von der einheimischen Brauerei Genys Brewing

Am nächsten Morgen bummelten wir durch das (Baustellen) – Städtchen und gingen nochmal groß shoppen, diesmal vor 20 Uhr, also konnten wir auch Alkohol einkaufen. Nachdem ich dann einiges in der Wohnung sortiert hatte, gingen wir auch am späten Nachmittag ans Haff, das von unserer Wohnung in zwei Minuten erreichbar ist. Wir sahen einigen Kite-Surfern zu und beschlossen, in einer der neuen Kneipen, die es vor einem Jahr so noch nicht gab, etwas zu trinken. Der Besitzer vertrat eine eigene litauische Brauerei, die Genys Brewing, und wir tranken ein Bio-Lager, das wirklich gut war, und das sage ich, obwohl ich eigentlich kein naturtrübes Bier mag. Er sagte uns auch, dass diese neuen kleinen Kneipen nur ein Jahr hier sind, als Zwischenlösung, da die Gebäude auch alle abgerissen werden und Hotels oder Appartements hierhin kommen. Sowohl in dieser Bar als auch in vielen Restaurant besteht weder Maskenpflicht noch irgendeine Regelung, jeder geht ein und aus wie er mag. Denn die Restaurants mit Plastikfassade gelten als Außenbereich… Im Innenbereich trägt der Litauer und die Litauerin die Maske auch eher als Kinnschutz. Ich werde ja einige Termine aus familiären Gründen in der nächsten Zeit wahrnehmen müssen, und halte mich da brav an meine FFP2-Masken, die es hier überhaupt nicht zu kaufen gibt.

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